Samstag Morgen

Guten Morgen,

Heute ist Samstag – wie unsere Welt Montag aussehen wird ist ungewohnt ungewiss.

„Lass uns mehr auf das Leben achten“, schloss mein Mann seinen Anruf aus Hamburg nachdem wir uns über seine und meine aktuellen Herausforderungen ausgetauscht hatten. Meine: Seit ein paar Tagen befinde ich mich in freiwilliger Quarantäne am Dieksee. Ja… Corona… Ich hatte eng mit einem frisch Angereisten aus dem italienischen Risikogebiet gearbeitet und danach beschlossen, allein am Dieksee zu bleiben. Ich bin also allein mit der Frage ‚wie mehr auf das Leben achten’.

 Ja, wie?… Ich war auf meinem Morgenspaziergang und schaute mich um. Der Wald sah trist aus: noch kein Hauch von Grün hier im Norden. Umgefallene Bäume, viele große und kleine heruntergefallene Äste und braune Blätter bedecken den feuchten Boden. Ist vielleicht meine Rücksicht völlig übertrieben?

 Zum Glück fand Angela Merkel gerade an dem Tag die drei Worte Solidarität, Vernunft, Herz. Genau sagte sie: „Da sind unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz für einander schon auf eine Probe gestellt, von der ich mir wünsche, dass wir diese Probe auch bestehen.“ Damit konnte ich gut etwas anfangen: Denn dies sind wichtige Aspekte, wenn wir mit dem Organisationskompass© und Führungskräften arbeiten. Nun fiel es mir leichter, meine Termine zu verschieben, online zu organisieren, sogar abzusagen. Ich wurde dankbar für meine Wahlmöglichkeit: Ich hatte die Wahl, die nährenden Aspekte der Situation zu sehen. Innehalten, Zeit für diesen lang aufgeschobenen Newsletter oder Kooperation im Ausbau unserer speziellen Online-Meeting Kompetenz. Und auf einmal hörte ich Vögel und sah überall Krokusse. Ich begann zu ahnen, was dahinter steckt, ‚auf das Leben zu achten’. Loslassen, was ich nicht ändern kann und den Blickwinkel ändern – dahin wo die Chancen liegen.

Ratio, Herz und Solidarität. Nicht nur das Herz ausschütten, sondern gleichsam den Verstand einsetzen; es braucht Balance der drei Aspekte. Balance verlangt Klarheit auf der jeweiligen Ebene – das gilt für jeden einzelnen wie auch für jede Organisation:

  • Klarheit über den Sinn und Zweck des Unterfangens
  • Klarheit über (wissenschaftliche) Fakten und wofür wir stehen, Klarheit wann wir mit offenem Herzen statt halbherzig handeln und darauf aufbauend
  • Klarheit was wir für die Gemeinschaft einbringen können oder wollen, damit Zusammenhalt und Solidarität gelingen kann.

 So ein Kompass, ein Kompass, der aus dem System selbst Leitplanken für das Handeln entwickelt, setzt Lebendigkeit frei und öffnet für den Zauber des Lebens: Für neue Ideen Kreativität, Weitblick. Ich meine fest, wir brauchen diesen Zauber im Herzen, um eine Krise mit vielen Unbekannten zu meistern. 

Neugierig auf den Organisationskompass

Unsere richtige „Probe“ beginnt, wenn wir unbekanntes Terrain betreten: In Krisen, die uns so noch nicht begegnet sind und uns unmittelbar betreffen. Das erleben wir gerade alle mit Covid-19. Das Virus wird wohl zu einer globalen Rezession führen, Lieferketten werden lahmgelegt, Notenbanken senken Zinsen, Regierungen entwickeln riesige Investitionspakete, ganze Branchen ändern ihre Planung und ihre Prioritäten. Wir auch: Beratung, Vernetzung und Moderation zunächst online. Weitere drastische Maßnahmen werden folgen. Was wir dann brauchen, ist der Link zum Sinn und vor allem eine Vorstellung, wohin die Krise uns führt. Wir brauchen ein ermutigendes Bild davon, was uns die Zukunft bringt. Denn aus der Balance geworfen, blockiert Angst den Verstand und vernünftiges Handeln. Angst ist eine Begleiterscheinung jeden Wandels. Sie verschwindet nicht auf Anordnung. Doch wir können lernen damit vernünftig umzugehen.

Lernen mit Wandel und seinen Begleiterscheinungen umzugehen.

Wie viele Unternehmen befinden sich gerade auf unbekanntem Terrain – gar großer Krise! Aus der Katastrophenforschung lässt sich etwas mitnehmen, wie Unternehmen unbekanntes Terrain beschreiten und was Menschen in Unternehmen in Krisen brauchen:

 Martin Voll, Professor für sozialwissenschaftliche Katastrophenforschung an der Freien Universität Berlin untersucht mit seinem Team Katastrophen z.B. die Schneekatastrophe in Schleswig-Holstein, Hurrikan Irma oder Tschernobyl, um das Verhalten und die Bedarfe von Menschen in Krisen zu verstehen.

Mittlerweile werden Krisen anders wahrgenommen, das liegt insbesondere an der Echtzeit der Teilhabe, obwohl tausende Kilometer entfernt. Dabei erschüttert nicht mehr das individuelle Schicksal, sondern so Voss „was im Innersten verunsichert ist das Gefühl, dass die Zukunft nicht mehr so sicher erscheint.“ Das Unwissen selbst ist also die Herausforderung. 

Strategien in der Krise

  • Vorbeugend nachdenken
  • Nachvollziehbar Informationen verfügbar machen
  • Einleuchtende Zusammenhänge aufzeigen
  • Angst über Austausch verarbeiten
  • Heterogenität und Autonomie der Beteiligten berücksichtigen

 Doch gerade das Bewusstsein für mögliche Arten von Krisen spielt eine wesentliche Rolle. Deshalb rät Prof. Voss stärker darüber nachzudenken.

Das bereite besser vor auf das Unwahrscheinliche, das Unvorstellbare, den sogenannten schwarzen Schwan – etwas äußerst Seltenes. Denn, so ist im Tagesspiegel von ihm 2017 von Prof. Voss zu lesen: „es gibt eine ganze Reihe davon, etwa eine große Pandemie oder ein globaler Crash der Finanzmärkte.“ Jetzt ist sie da, die Pandemie. Wir genug über diesen schwarzen Schwan nachgedacht?

Vor Panik zu warnen ist die falsche Strategie. Wir kennen das aus unserem Alltag. Jemand regt sich fürchterlich auf aber der Rat „reg Dich nicht auf“ regt erst recht auf. Emotionen nehmen Rat nicht an. Und Panik ist Emotion. Es braucht Zuhören, Durchatmen, Innehalten, Verstehen. Mein Eindruck ist derzeit, dass die große Mehrheit im Umgang mit Covid-19 ein rationales und nachvollziehbares Verhalten aufweist. Besonnenheit gelingt, je klaren die Informationen und einleuchtender die Zusammenhänge sind. Menschen brauchen nachvollziehbare Nachrichten und wenn es keine gibt, werden sie an den Haaren herbei gezogen. Das ist zu vermeiden. Um rational und emotional Unbekanntes und Unsicherheit zu verarbeiten brauchen Menschen Austausch.

Wenn Krisen unser Innerstes verunsichern, wir nicht nur unser Verhalten ändern sondern neu lernen müssen, suchen wir Halt – meist bei denen, die mehr Daten und Überblick haben – letztlich bei denen die führen. Ob in Unternehmen oder der Politik – es werden trotz der unbekannten Situation Entscheidungen nötig und verlangt – Entscheidungen mit denen nie alle zufrieden sind und die in einem unbekannten Terrain nicht fehlerfrei sein können. Eine weitere Herausforderung ist, mit der Heterogenität der Gesellschaft umzugehen – z.B. der hohen Freiheitsliebe versus dem Wunsch nach klarer Ansage mit Regeln.

Krisenzeiten stärken – in der Gesellschaft, Ökonomie und hoffentlich auch Ökologie wie auch bei uns Menschen selbst. Dabei lässt jede Ebene Federn. Aber das was nachwächst ist gestärkt. Menschen rücken nachweislich in Katastrophen zusammen und unterstützen sich gegenseitig. In all der Unsicherheit ist Solidarität eine großartige Hilfe und damit Halt. Sie hilft nicht nur anderen sondern auch denjenigen, die sie anbieten. Aktuell keimen Nachbarschaftshilfen (#NachbarschaftsChallenge) auf und Menschen erleben, dass ihre jeweilige Solidarität wertvoll ist. Sie gibt Bestätigung und macht Mut. Sie spendet Sinn in der Krise und weckt Kreativität und Lebendigkeit. Ich verstehe: „mehr auf das Leben achten.“

Ich wünsche Dir ein gesundes Wochenende und achte auf das Leben.

Herzlichen Gruß

Birgit